In meinem späteren Beruf als Opern- und Konzertsängerin fiel mir das jahrelang ziemlich leicht, denn die Figur war dort (noch) kein Thema und hinter Theaterrollen kann man seine eigene Persönlichkeit wunderbar verstecken und sich anderweitig ausleben – und niemand bemerkt, was WIRKLICH in einem vorgeht. Aber irgendwann wurden die körperlichen Probleme so stark, dass ich nicht mehr weglaufen konnte. Nach einer Not-OP an der Gallenblase beschleunigte sich der Lipödem-Fortschritt rapide, breitete sich auch auf die Arme aus und begann, mein Lymphsystem lahmzulegen. Noch mehr Scherzen, Körperumfang und Atemnot waren die Folge und ich bekam auch im Beruf zunehmend Probleme. Der vorläufige Höhepunkt war ein stationärer Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik wegen Burnout/Depressionen, mehrere Jahre Therapie und zunehmende Reduktion von Auftritten, aber das Problem bestand weiter.
Zu dieser Zeit lernte ich meinen heutigen Ehemann kennen und lieben, ohne den ich das wahrscheinlich nicht überstanden hätte. Eines Tages waren wir in einem Buchladen in Salzburg und mir fiel beim Stöbern das Buch „Dicke Beine trotz Diät“ in die Hände. Schon der Rückseitentext verursachte bei mir Unwohlsein, aber ich wusste irgendwie, dass ich das lesen sollte, also bat ich meinen Mann, mir das zu Weihnachten zu schenken, denn ich selbst hätte es nicht geschafft, es mir zu kaufen. Es dauerte einen weiteren Monat nach Weihnachten, bis ich mich endlich traute, das Buch zu lesen – und ab da war es um mich geschehen. Ich erfuhr erstmals etwas über Lipödem, fand mich total wieder und habe mich kurz darauf bei einem Lymphologen untersuchen lassen – mit entsprechendem Ergebnis.
Die Last, die da von mir abfiel, kann sich nur jemand vorstellen, der das selbst erlebt hat. Das Gefühl, das etwas mit meiner Gesundheit nicht stimmte war von Anfang an richtig, mein Instinkt war wahr, egal was alle Leute mein Leben lang zu mir gesagt hatten! Zum 1. Mal in meinem Leben bekam ich recht und die Bestätigung für meine Gefühle! Die Entscheidung für die OPs war schnell getroffen, denn mir war klar, dass ich lange genug gelitten hatte und das wollte ich nicht mehr. Auf einem LYMPHA-Kongress informierte ich mich ausgiebig und machte dann Termine. Die Wartezeit erschien zwar vermeintlich lang, aber ich begriff das als Chance, mich auch seelisch auf das Leben danach vorzubereiten und ich kann im Nachhinein sagen, dass das goldrichtig so war. In dieser Zeit schwor ich mir, diese „Zweite Chance“ zu nutzen und endlich ein Leben zu leben, was mir und meinem Wesen entspricht, natürlich ohne Schmerzen und Beschwerden, aber auch ohne Verstecken, ohne Vorspielen – einfach Ich selbst sein.
Nach den OPs bestätigten sich alle meine Hoffnungen, ich war endlich schmerzfrei und konnte wieder atmen und mich bewegen – und genau das kostete ich in der Folge aus und tue es bis heute. Deshalb verging der Heilungsprozess wie im Flug, mein Körper machte ungeahnte Fortschritte und ich entwickelte eine Freude an immer mehr Bewegung, wie ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr gekannt hatte, nun mit der Energie eines Erwachsenen. Diese Kombination zusammen mit einem gesunden Lebensstil brachte mich auf meinen heutigen Lebensweg. Meinen Beruf, so schön und notwendig er damals war, habe ich aufgegeben, weil mir das Schauspielen einfach nicht mehr entspricht. Ich möchte „Ich selbst“ sein und bin sozusagen zu meiner 1. Liebe, dem Sport, zurückgekehrt.